Mach mal ’n Strich!

Zwei Biergläser

Crashkurs Lektion 5: Was dabei rauskommt, wenn ein Redakteur, ein Grafiker und ein SEO-Experte beim Bier über den Bindestrich diskutieren.

Neulich schrieb ein Bekannter in einer WhatsApp-Gruppe: „Lasst uns mal wieder auf 1–2 Bier treffen!“ Ein anderer antwortete (natürlich mit dem obligatorischen Zwinker-Emoji): „12 schreibt man ohne Bindestrich …“ Ich war begeistert und sagte sofort zu: Beim Thema Bindestrich lasse ich als passionierter Hobby-Lektor keine Gelegenheit zur Diskussion aus. Den Hinweis, dass es wir es in unserem Fall genau genommen gar nicht mit einem Bindestrich zu tun hatten, sondern mit einem Bis-Strich (erkennbar an der doppelten Länge), sparte ich mir für später auf.

Als ich am Tresen vertrauensvoll ein Brau-Erzeugnis bestellt hatte (das Brauer-Zeugnis wollte ich nicht sehen), fragte ich in die Runde: „Wie haltet ihr es denn sonst so mit dem Bindestrich?“ Ein befreundeter Grafiker und bekennender Minimalist räumte ein, dass er den Strich grundsätzlich weglasse: „Sieht halt kacke aus, wenn man mit großer Typo arbeitet und da überall Striche sind.“ Da ist was dran. Grafiker lieben kurze Wörter – und was nicht passt, wird passend gemacht. Statt „3-Korn-Mehl“ heißt es dann eben etwas zusammenhanglos „3 Korn Mehl“, was genauso viel bedeuten könnte wie „3 Korn und etwas Mehl“. Aus „Kaffee-Filter“ wird „Kaffee Filter“ – mit Betonung auf dem zweiten Wort wie bei „Caffè Crema“ oder „Caffè Latte“. Vielleicht eine lässige Bezeichnung für schlichten Brühkaffee in Berliner Szenebars? „Ach, komm schon, man weiß doch, was gemeint ist“, wandte der Grafiker ein. Er hatte natürlich recht. Vielleicht sollten wir Rechtschreibung und Grammatik der Einfachheit halber gleich ganz abschaffen.

Jetzt meldete sich ein SEO-Experte am Tisch zu Wort: „Die meisten Leute geben bei Google keine Bindestriche ein. Zur Suchmaschinenoptimierung wird deshalb bei Online-Texten oft bewusst darauf verzichtet.“ Das saß. Ich machte mich wehmütig mit dem Gedanken vertraut, dass der Bindestrich in der digitalen Welt keinen Platz mehr haben würde. Doch der Fachmann fuhr fort: „Früher war das auch tatsächlich sinnvoll. Mittlerweile macht die Google-Suche hier aber keinen Unterschied mehr. Fürs Suchmaschinen-Ranking ist es inzwischen egal, ob du ‚Deppenleerzeichen’, Deppen-Leerzeichen’, ‚Deppen Leerzeichen’ oder“, er nickte kurz in Richtung Grafiker, „von mir aus auch ‚Deppen Leer Zeichen’ schreibst.“ Ich atmete auf: Es gab noch Hoffnung. Zufrieden bestellte ich das nächste Bier und beobachtete wohlwollend, wie die Kellnerin einen weiteren Strich auf meinen Deckel malte.

PS: Wer sich für den korrekten Gebrauch des Bindestrichs interessiert, kann sich auf der Internetseite des altehrwürdigen Duden informieren.

 

Crashkurs

Aus dem Redaktionsalltag: An dieser Stelle geben abwechselnd Thomas van Laak, Jörn Lotze und Christian Winter Tipps rund ums Corporate Publishing.

Der Autor

Christian Winter ist Redakteur bei van Laak Medien, spielt gerne den Aushilfslektor und findet in (fast) jedem Text noch einen Fehler. Ob’s daran liegt, dass beide Eltern Lehrer waren?

Zeichnung Christian Winter